Pirat*innen sind nicht erst seit der Pirates of the Caribbean – Reihe der 2000er Jahre zu einem popkulturellen Phänomen geworden. Die künstlerische Auseinandersetzung mit ihnen lässt sich auf den im Jahr 1883 erschienenen Roman Treasure Island von Robert Louis Stevenson zurückführen. Noch hundert Jahre zuvor wäre es undenkbar gewesen, dass Geschichten über Mord, Sklavenhandel und Hochverrat Eingang in die Jugendliteratur finden.
Grund dafür ist die innerhalb von wenigen Jahren erfolgte Auslöschung und Stigmatisierung der Hochseepiraterie in der „Neuen Welt“ zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die vorher für die Kriege Englands und Spaniens nützlichen Seeräuber*innen waren an keine Krone gebunden und überfielen unter schwarzer Flagge die wichtigsten Handelsrouten zwischen Europa und der „Neuen Welt“.
Schon bald erhöhte insbesondere Großbritannien als führende Seemacht die militärischen Aktivitäten in der Karibik. Die Folge: Innerhalb von nur sieben Jahren erlebte das bis heute für die Popkultur stilprägende „Goldene Zeitalter der Piraterie” seinen Höhepunkt und wurde ausgelöscht. Diese konsequente Strategie der Vernichtung durch das britische Königreich ging mit staatlicher Propaganda einher, die Pirat*innen als Monster abseits der Zivilisation stigmatisierten.
Im Zeitalter der Revolutionen und aufkommenden Republiken wurde das Streben nach Freiheit und der Widerstand der Piraterie gegen Obrigkeit und Staatsgewalt zunehmend verklärt. Heute hat der Mythos Piraterie eine zweiteilige Bedeutung. Einerseits leben die brutalen Mythen der gesetzlosen Seeräuber*innen bis heute in Literatur und Film weiter. Andererseits erfreuen sich Pirat*innengeschichten in der Tradition Robert Louis Stevensons insbesondere für Kinder einer großen Beliebtheit. Man trifft sie auf Faschingsfesten oder auf Halloweenpartys.